MILITÄRLUFTFAHRT
TIGER
Tiger vorübergehend vom Himmel verbannt
Von Peter Gunti, 12. Februar 1999
 
Tiger im Überflug
Beim Aufziehen im Gebirge wird die starke Belastung der Flugzeugzelle deutlich: der Flügel wird nach oben gebogen.
 
Kleine Ursache, grosse Wirkung; ein um 0,4 Millimeter zu schwacher Bolzen entschied über die Einsatzfähigkeit einer ganzen Jägerflotte.
 
Nach 1500 Flugstunden auszuwechseln
Alle diese Bolzen sind bei der Montage der Tiger Flugzeuge in den Jahren 1978 bis 1981 eingebaut worden, ohne dass dabei irgendwelche Mängel zutage traten. Damals dachte noch niemand daran, diesen Bauteil jemals auswechseln zu müssen. Diese Bolzen blieben in der verschlossenen Rumpfschale völlig unzugänglich. Der Anlass für die plötzliche Wichtigkeit jenes Kleinteils kam in der Form einer Weisung aus den USA. Die Tiger der Luftwaffe wurden seinerzeit im Rahmen eines sogenannten «Foreign Military Sales» von der US Air Force, und nicht etwa von der Herstellerfirma Northrop, gekauft. Wie es in solchen Fällen üblich ist, schuf die Air Force eine Dienststelle mit der Bezeichnung TCG (Technical Coordination Group), welche alle für die Flugsicherheit relevanten Informationen an die jeweiligen Betreiber solcher Maschinen weiterleitet. Es könnte irgendwo auf der Erde bereits einen ähnlichen Zwischenfall durch diesen acht cm langen und ca. 75 Franken teuren Kleinteil gegeben haben. Auf jeden Fall stufte die TCG jenen Bolzen zu einem «Teil mit kritischer Ermüdungsgefährdung» (Fatigue-Critical Item) ein und schrieb vor, diese nach 1500 Flugstunden auszuwechseln. In der SF wurde daher die Arbeitsliste für die 1500-Stunden Revision am Tiger um diesen Punkt bereichert. Um diesen Bolzen überhaupt wechseln zu können, schnitt man kurzerhand ein ca. zehn Zentimeter grosses Handloch in den Rumpf. Nach dem Austausch des Teils wurde diese Öffnung mit einem Deckel wieder verschlossen.
 
 
Es war Mitte November 1998, als einem Mechaniker der SF (Schweizerische Unternehmung für Systeme und Flugzeuge) in Emmen das Malheur passierte. Beim Anziehen eines Bolzens, welcher den vorderen Rumpfteil des F-5E «Tiger» Jagdflugzeuges mit dem Mittelrumpf verbindet, brach das Gewinde aus. Was in einer normalen Werkstatt vermutlich nur einen Fluch und den raschen Griff zu einem neuen Bolzen ausgelöst hätte, war im Flugzeugwerk ein Grund für intensive Abklärungen. Zunächst ging der betroffene Facharbeiter davon aus, dass ihm ein Fehler unterlaufen war. Bald musste er jedoch feststellen, dass das Gewinde mit dem exakt vorgeschriebenen Drehmoment angezogen worden war. Auch sein Werkzeug hatte einwandfrei gearbeitet. Der Schluss drängte sich auf, dass der Bolzen nicht die Festigkeit besass, die ihm zugemessen war.
 
Die Schweizerische Unternehmung für Flugzeuge und Systeme AG, abgekürzt SF, ist ein Unternehmen der Luft- und Raumfahrt mit Hauptsitz in Emmen und Werken an mehreren Standorten in der Schweiz.
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