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RATGEBER
Wenn die Blase drückt
von Samuel Huber, 9. April 1999
 
Samuel Huber
Dr. med. Samuel Huber ist Arzt am Fliegerärztlichen Institut FAI in Dübendorf und Verbandsarzt des AeCS.
Der Wasserhaushalt des menschlichen Körpers stellt Piloten und Passagiere häufig vor ein Problem: Was tun, wenn man mitten im Flug mal muss?

Kennen Sie diese Geschichte? Sie wollen mit drei Passagieren einen kleinen Flug machen, alle sitzen schon im Flugzeug und sind angeschnallt, die Checkliste ist abgehakt und der Motor gerade angeworfen worden, da muss der erste Gast bereits zur Toilette. Nicht nur bei nervösen Passagieren ist dies ein häufig beobachtetes Phänomen, auch die Piloten haben gelegentlich damit zu kämpfen. Der erste Solonavigationsflug wird häufig mit diesem äusserst unangenehmen Gefühl unterhalb des Bauchnabels beendet. Dieses Gefühl, das zunächst als leichter Druck wahrgenommen wird, kann sich innert weniger Minuten über ein pulssynchrones Stechen bis hin zu starken, von Schweissausbrüchen begleiteten Schmerzen steigern.

Aber auch auf einem normalen stündigen Flug ist häufig zu beobachten, dass sich bereits nach der ersten Viertelstunde in der Luft die ersten Anzeichen für Harndrang melden und dies, obwohl kurz vor dem Flug noch die Toilette aufgesucht wird. Erklären lässt sich dieses Phänomen durch mehrere Faktoren, welche gerade in der Fliegerei häufig zusammen auftreten. Im wesentlichen lassen sich vier solcher Faktoren identifizieren:

- Rascher Aufstieg in grössere Höhen (Höhendifferenz > 1000 Meter)
- Stress, Angst, Anspannung, Nervosität
- Kälte
- Coffein/Teein

Bei einem raschen Aufstieg wird der Körper durch den dabei auftretenden Sauerstoffmangel unter Stress gestellt. Mit jedem Atemzug wird etwas weniger Sauerstoff ins Blut aufgenommen und später den Organen zur Verfügung gestellt. Der Körper versucht, diesen Mangel durch einen gesteigerten Umsatz und schnellere Umwälzung des Blutes zu kompensieren: die Atemfrequenz und die Herzfrequenz nehmen zu. Dadurch wird mehr Blut umgewälzt, das «Herz-Minuten-Volumen» nimmt zu, die Nieren werden besser durchblutet. Somit wird mehr Blut gefiltert und die Urinproduktion nimmt zu.

Bei Stress, Nervosität, Angst und Anspannung spielt neben dem ebenfalls gesteigerten Herz-Minuten-Volumen auch die unbewusst ablaufende Erhöhung des Muskeltonus (Grundanspannung)eine wichtige Rolle. Auch bei Kälte steigt die Muskelspannung, und die Gefässe ziehen sich zusammen. Dadurch wird das im Gefässystem vorhandene Volumen zusammengepresst, so dass der Körper das Gefühl hat, es zirkuliere ein zu grosses Blutvolumen. Dieses wird dann über die Nieren ausgeschieden und in der Blase gesammelt. Coffein und Teein sind Stoffe, welche die gleiche Wirkung entfalten wie ein körpereigenes Hormon, das die Urinproduktion steigert. Auf Getränke, die diese Stoffe enthalten, soll vor einem Flug somit verzichtet werden (Kaffee, Schwarztee, Cola...).

Achtung Gefahr
Viele Piloten helfen sich vor einem Flug damit, nichts mehr zu trinken. Der Wasserhaushalt unseres Körpers ist jedoch einem sensiblen Gleichgewicht unterworfen. Verliert der Körper zuviel Flüssigkeit, sinkt die Leistungsfähigkeit sowohl im intellektuellen als auch im körperlichen Bereich drastisch ab. In schweren Fällen können Fieber oder sogar Bewusstlosigkeit auftreten.

Das angesprochene Dilemma kann am besten entschärft werden, indem unmittelbar vor einem Flug nochmals Wasser gelöst und im Flugzeug ein Wasservorrat mitgeführt wird. Bei Durst soll dem Körper in kleinen Mengen Flüssigkeit zugeführt werden, bis der ärgste Durst gelöscht ist. Reicht diese Massnahme nicht aus, helfen wohl nur noch Urinflasche oder Windeln.


 
   
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