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Vergaservereisung
von Andy Fischer, 7. Mai 1999
 
Andy Fischer ist Berufspilot und Fluglehrer auf dem Flugplatz Birrfeld
«Bei Temperaturen von 20° Celsius brauche ich doch die Vergaservorwärmung nicht einzuschalten.» Glauben Sie das auch? Dann sollten Sie weiterlesen.

Angenehme Temperaturen, nicht zu warm und nicht zu kalt, schlicht ideales Flugwetter wartet im Frühjahr auf die Fliegerwelt. Pilot P. Sorglos ist nach einem Alpenflug mit seiner Cessna 172 auf dem Rückweg. Gefahren gibt es bei dem schönen Frühlingswetter keine, und so wird auch die Vergaservorwärmung auf den nächsten Winter verbannt. Der Anflug auf den Heimatflugplatz, wie schon hundert mal zuvor, kein Problem. Doch im Endanflug rollt ein anderes Flugzeug unverhofft auf die Piste, und P. Sorglos wird zu einem Durchstartmanöver gezwungen. Also Vollgas und in den Steigflug übergehen. Doch statt volle Leistung abzugeben stottert der Motor der Cessna, und der Pilot entscheidet sich zur Notlandung neben der Piste. Im weichen Gras neben der Landebahn kommt dann das Unvermeidliche, das Flugzeug kollidiert mit einem Hindernis - Sachschaden rund 30000.- Franken.

Klar, dieser Vorfall ist frei erfunden, aber genau so haben sich schon einige Unfälle mit mehr oder weniger grossem Schaden ereignet. Um sich klar zu werden, was da passiert, muss man sich die Vorgänge im Vergaser wieder einmal in Erinnerung rufen. Die Luft muss mit Benzin zu einem zündfähigen Gemisch angereichert werden. Dazu wird mit einer Verengung (Venturi) eine Beschleunigung der Luft erreicht. Der dadurch entstehende Unterdruck saugt das benötigte Benzin an und fertig ist unser Gemisch.

Bereits in der Schule haben wir gelernt, dass eine Abnahme des Druckes mit einer Abkühlung verbunden ist. Der Beweis lässt sich mit jeder Sprühdose erbringen. Sobald man auf den Knopf der Sprühdose drückt, fühlt sich die Dose Kalt an, eben, weil die Luft im Innern expandiert.

Die Abkühlung im Vergaser beträgt je nach Strömungsgeschwindigkeit der Luft zwischen 10° und 20° Celsius! Je mehr die Drosselklappe geschlossen wird (bei reduzierter Leistung im Anflug), desto mehr wird die Luft abgekühlt, und die in der Luft enthaltene Feuchtigkeit lagert sich rund um die Drosselklappe in Form von Eis ab.

Der Wasserdampfgehalt der Luft beträgt bei 20°C und 100 Prozent Feuchtigkeit 15 Gramm. Mit abnehmender Temperatur verringert sich der Wasserdampfanteil pro 10°C um ungefähr die Hälfte. Damit ist die Gefahr einer Vergaservereisung alleine aufgrund des geringeren Wasseranteils bei tiefen Temperaturen wesentlich geringer als bei Temperaturen von 10° bis 20°C.

Gerade im Frühjahr und im Herbst an Tagen mit hoher Feuchtigkeit besteht immer ein beträchtliches Potential für eine Vergaservereisung.

Beträgt die Temperatur in Bern (1673ft) zum Beispiel 20°C, so ist bei Beginn des Sinkfluges in einer Höhe von 4500ft eine Aussentemperatur von rund 14°C zu erwarten. Wird der ganze Anflug nun mit reduzierter Leistung geflogen, herrschen im Vergaser ideale Vereisungsbedingungen.

Wird die Vergaservorwärmung nun nicht bereits vor der Einleitung des Sinkfluges eingeschaltet, so kann sich bis zum Endanflug einiges Eis im Vergaser ablagern. Genau dieses Eis verhindert unter Umständen ein sicheres Durchstartmanöver, da dem Motor bei geöffneter Drosselklappe nun wärmere, mit Wassertröpfchen versetzte Luft zugeführt wird.

Die Konsequenz: Der Approachcheck wird vor jedem Sinkflug komplett durchgeführt.

 
   
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