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RATGEBER
Drehmoment?
Von Andy Fischer, 8. Oktober 1999

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Andy Fischer ist Berufspilot und Fluglehrer auf dem Flugplatz Birrfeld
Beim Start vieler einmotoriger Flugzeuge ist
zu beobachten, dass der rechte Flügel «hängt». Warum?


Wenn man nachfragt, erzählen die meisten etwas von Drehmoment. Aber was für Kräfte wirken wirklich am Flugzeug?

Ein Flugzeug wird so gebaut, dass es im horizontalen Reiseflug geradeaus fliegt. Konstruktiv lässt sich ein Flugzeug allerdings nur auf eine einzige bestimmte Geschwindigkeit auslegen.

Gibt man beim Start volle Leistung, ist deutlich zu spüren, dass das Flugzeug nach links ausbrechen will (bei rechtsdrehenden Motoren), was verhindert werden muss. Der drehende Propeller bewirkt ein Gegendrehmoment, das auf die Flugzeugzelle einwirkt. Da das Flugzeug in dieser Phase aber noch mit dem ganzen Fahrwerk am Boden ist, ist eine Rollbewegung nicht möglich. Das Drehmoment kann also hier nicht die Ursache sein.

Hier zeigt der sogenannte Slipstream-Effekt sein Wirkung. Der Propeller verursacht eine drehende Luftströmung um das Flugzeug. Dieser Slipstream bewirkt eine Asymetrie, indem er einseitig auf das Seitenleitwerk trifft. Dies bewirkt eine Drehbewegung um die Hochachse, und somit versucht das Flugzeug nach links auszubrechen. Da es sich hier um eine Bewegung um die Hochachse handelt, ist es sinnlos, mit dem Querruder dagegen zu halten. Hier muss das rechte Seitenruder eingesetzt werden.

Mit zunehmender Geschwindigkeit nimmt die durch den Slipstream verursachte Asymetrie ab, und damit muss auch die Kraft auf dem Pedal konstant angepasst werden.

Auch beim anschliessenden Rotieren (eine Bewegung um die Querachse) ist das Hauptfahrwerk noch mit allen Rädern auf dem Boden – eine Rollbewegung ist auch hier noch nicht möglich. Allerdings macht sich in dieser Phase eine weitere Kraft bemerkbar. Der sogenannte P-Faktor ist jetzt für eine weitere Flugzeugreaktion nach links verantwortlich. Wie erwähnt ist das Flugzeug für den Horizontalflug konstruiert. Existiert aber ein Anstellwinkel zwischen der Flugbahn und der Flugzeuglängsachse, macht sich ein asymetrischer Vortrieb der Propellerblätter bemerkbar. Bei Flugzeugen mit Zweiblatt-Propellern wirkt sich dieser Effekt besonders aus. Das sich abwärts bewegende Propellerblatt leistet mehr Arbeit als das sich auf der Gegenseite aufwärts bewegende. Dies führt dazu, dass das Flugzeug nach links ausbrechen will.

Auch im Steigflug versuchen Slipstream und P-Faktor das Flugzeug um die Hochachse nach links zu drehen. Der wenig erfahrene Pilot spürt also beim Start, dass sein Flugzeug nach links ausbrechen will. Da man ein Flugzeug normalerweise mit dem Querruder steuert, versucht er dieser Linksdrehung mit dem Steuerhorn entgegenzuwirken. Aufgrund der Ursachen ist das einzig richtige Steuer für ein einwandfreies Abheben jedoch das Seitenruder, denn nur mit dem Druck auf das Seitenruder kann die Drehung um die Hochachse verhindert werden kann.

Natürlich muss bei Seitenwind auch das Querruder eingesetzt werden, aber dies hat nichts mit den durch den Start verursachten Kräften zu tun.

Viele Piloten haben beim Abheben mit Drehmoment, Slipstream und P-Faktor zu kämpfen. Ein Fluglehrer sagte mal zu seinem Flugschüler: «Du fliegst wie ein Chinesischer Pilot – wan wing low.»


   
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