PEOPLE
PORTRAIT
«Die beste Zeit meines Lebens»
von Susanne Wild, 7. Mai 1999
 
Annette Leuenberger
Schwerpunkt Emergency
Nur bedingt Sightseeing
Persönlich
Annette Leuenberger Annette Leuenberger auf ihrer ersten Rotation in Buenos Aires als Junior Flight Attendant

Mit 20 hat sie ihren vorläufigen Traumberuf gefunden. Annette Leuenberger ist seit vier Monaten als Flight Attendant unterwegs.

Draussen regnet es. Es ist kalt. Die Autoheizung bläst unermüdlich heisse Luft in den Passagierraum. Auf der Heckablage des knallroten Autos fährt ein Swissair-Delphin mit, zwischen Rückspiegel und Frontscheibe steckt eine Kleinstausgabe des Plüschtiers. Annette Leuenberger hat soeben ihre Schwester Senta auf den Flughafen gebracht und festgestellt: «Es ist richtig komisch, auf dem Flughafen zu sein, ohne arbeiten zu dürfen.»

Seit 30. November letzten Jahres ist Annette Leuenberger in der Ausbildung zur Flight Attendant, seit vier Monaten ist sie im Einsatz. Für ihren Beruf ist sie Feuer und Flamme: «Ich habe das Gefühl, jetzt beginnt die beste Zeit meines Lebens.» Nach den ersten Monaten im Einsatz hat sie festgestellt, wie klein die Welt doch ist; heute in Oslo, morgen in London, übermorgen in Porto, dann wieder Los Angeles oder Johannesburg - «der Ausdruck ‹connecting people› stimmt schon», meint sie. Dieses «ständige Hin und Her», wie sie es nennt, gefällt ihr, in der Welt herumzukommen, mit Menschen zusammenzuarbeiten - und die nicht ganz normalen Arbeitszeiten. «Wenn für andere am Montag der Arbeitsalltag von vorn beginnt, habe ich vielleicht einen Tag oder mehrere frei», sagt sie. Anderseits ist sie unter Umständen an Sonn- und Feiertagen im Einsatz und steht auf, wenn andere schlafen gehen.

Flexibilität steht ganz weit oben auf der Anforderungsliste an Flight Attendants; wer einen regelmässigen Lebensrhythmus braucht, ist in diesem Beruf schlecht beraten. Kein Problem für die quirlige Aargauerin. Im Gegenteil: Sie brauche die Abwechslung extrem, «täglich gleiche Routine macht mich fertig». Es ist ihre erste vollzeitliche Anstellung. Erstes Fazit: «Es ist genau das, was ich wollte. Ich würde gegen nichts in der Welt tauschen.»

Air Traffic Controller
Ihnen gehört die Welt: Annette Leuenberger und ihre Kollegin Daniela Kofel im Internat in der Westschweiz
Nachteile? Das ständige Hin und Her, die nicht ganz normalen Arbeitszeiten. «Man muss der Typ dazu sein, sonst leidet man», ist sich Annette Leuenberger bewusst. Im Kurzstreckeneinsatz jede Nacht in einem andern Hotelzimmer zu schlafen ist nicht jedermanns Sache. Auch Annette Leuenbergers nicht unbedingt. Auch sie schläft lieber zu Hause. Und auch sie hat Zeiten, an denen sie keine Lust hat, schon wieder fortzugehen. An solchen Tagen kommt ihr ihre Fähigkeit, sich zu verstellen, sich zusammenzureissen, zu gute. Sie nennt das Professionalität: Auch dann lächeln zu können, wenn es ihr nicht so gut geht. In solchen Fällen kann man sich im Team in die Gally Duty (Küchendienst) einteilen lassen, wo man weniger «an der Front» arbeitet. «Man muss Privates stark vom Dienst abtrennen», fügt Leuenberger hinzu; private Belastungen dürfen nicht ablenken.

Die langen und unregelmässigen Abwesenheiten sind nicht eben förderlich für zwischenmenschliche Beziehungen. Früher verbrachte die 20Jährige einen grossen Teil der Freizeit mit Kollegen und Freundinnen, verkaufte Fussballfreunden jede Woche zweimal Tickets auf dem Aarauer Brügglifeld, pflegte ihr eigenes Pferd und liebte es, auszugehen. Dann kam die Swissair. «Und plötzlich stagniert es», sinniert sie. «Auf einmal muss man sich in den Hintern klemmen, um dran zu bleiben.» Treffen mit Freunden richten sich nach dem Einsatzplan, der Besuch regelmässiger Kurse liegt nicht drin. Das Pferd kann sie nur dank der zuverlässigen Mithilfe einer Kollegin mit gutem Gewissen behalten.



 
     
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