PEOPLE
PORTRAIT
Mensch sein als Lebensziel
Von Susanne Wild, 10. September 1999

Markus Seiler
Klima hat sich stark verändert
Käsebrot statt Lachsbrötli
   
Tea
Paul Schär, Bergmensch, Naturliebhaber: «Wir haben zuwenig Zeit, um Mensch zu sein»

Paul Schär – eine Seele von einem Mann. Gletscherpilot, Baumpfleger und Naturliebhaber hat er sich zur Aufgabe gemacht, anderen zu helfen und Anker im reissenden Strom der Zeit zu sein.

Wilder, krauser Bart, Tabakpfeife im Mund, freundliche, grün-braune Augen, kräftige Hände, die das Zupacken gewohnt sind. Paul Schär personifiziert das typische Bild eines Bergbauers. Ganz urchiger Bergler gehörte er eher vor eine Berghütte als in das Restaurant eines Flugplatzes. Doch der Mann ist nur im Herzen Bergbauer, hauptberuflich Flugzeugmechaniker und nebenberuflich Gletscherpilot im Dienste der Menschen. Der «Pole» Schär hat eine äusserst ambivalente Beziehung zur Berufsbezeichnung Gletscherpilot: «Ich bin nicht Pilot, ich bin Handwerker», pflegt er zu sagen. Fliegen ist nicht sein Ding. Obschon er es mittlerweile im Gefühl hat. Nach Instrumenten fliegt er nicht, das einzige, was er eigentlich brauche, sei eine Öldruckanzeige, meint er. Er spürt, wie die Maschine fliegt, hört, wie der Motor dreht, riecht, wie der Schnee beschaffen ist und spürt, wie der Wind weht. Eine Piste braucht er schon gar nicht: «Es gibt nichts Unnützeres als eine Piste, die hinter einem liegt.»

Fliegen ist Mittel zum Zweck: «Könnte ich meine Arbeit mit einem Motorrad oder einem Jeep machen, würde ich sie mit einem Motorrad oder einem Jeep erledigen.» Seine Arbeit ist das Dienen am Mitmenschen, sei es um den Hüttenwarten in den Berghütten zu helfen, sei es um Ausflüglern das Staunen ob der Natur beizubringen. Die Bedienung abgelegener Berghütten war zu Beginn die Hauptaufgabe – bei jedem Wetter. 1972, als Paul Schär bei Ty Rufer begann, hatten die Helikopter noch nicht die heutige Leistungsfähigkeit; Bergrettungen fielen ebenfalls Rufer und Schär zu.


Nach dem Ausscheiden Rufers führte Schär dessen Lebenswerk fort. Als fliegender Händler versorgte Schär die Hüttenwarte mit Lebensmitteln, mit Benzin für den Stromgenerator, holte die schmutzige Wäsche und brachte saubere. Er kaufte die Waren ein und trat gegenüber seinen «Kunden» als Wiederverkäufer auf. Bei Transportkosten von rund 1.20 Franken pro Kilo blieb keine grosse Rendite. Mit zunehmendem Lädelisterben schmolz auch dieser kleine Verdienst dahin: «Mit der Zeit kaufte ich die Lebensmittel fast teurer ein als sie in der Migros zu haben sind.» Als die einzige Rendite die Dankbarkeit der Hüttenwarte war, gab Paul Schär diese Aufgabe auf. Nicht aber das Helfen, denn Dankbarkeit ist eigentlich dem Pole sein liebster Lohn, helfen zu können die liebste Beschäftigung. Noch immer versorgt er deshalb Hüttenwarte mit dem Nötigsten: Bevor er ins Gebirge fliegt, fragt er an, ob sie etwas bräuchten. Das muss nicht immer ein Laib Brot, eine Kiste Tomaten oder frisches Fleisch sein. Auch ein kaputtes Telefon, ein verklemmter Zigarettenautomat oder ein wackelndes Stuhlbein werden dem Paul gemeldet. Allrounder Paul Schär hilft, wo immer er kann – mitunter auch in der Küche des Männlichen-Restaurants, wo er für Apfelkuchen, Nussgipfel und Co. zuständig ist.




     
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