PEOPLE
PORTRAIT
Mensch sein als Lebensziel ( 2 )

Markus Seiler
Mensch sein als Lebensziel
Klima hat sich stark verändert
Käsebrot statt Lachsbrötli
   
Tea
Paul Schär hilft, wo immer er kann. In seiner «zweiten Heimat», auf dem Männlichen, hilft er in der Restaurant-Küche beim Süssgebäck

Klima hat sich stark verändert
Über 25 Jahre Gletscherfliegerei, insgesamt 18604 Landungen, davon 15400 Gletscherlandungen, bei 3580 Flugstunden – Paul Schär kennt seine Berge, die meisten seiner Landeplätze im Gebirge auch zu Fuss. Er kennt jeden Quadratmeter der Berner Oberländer Alpen, weiss um besondere Schönheiten oder auch Gefahren und sieht, wie bedenklich sich die Berglandschaft verändert. Die Gletscher seien extrem, «wirklich extrem», zurückgegangen. Das Klima habe sich markant geändert: «Wenn es früher zwei Wochen am Stück einfach schön war, wechselt es heute ständig.» Beispiel Jungfrau: Im Sommer bietet Schär Rundflüge ab dem Jungfraujoch an. Dieses Jahr war er erst dreimal oben – das unstete Wetter liess nicht mehr zu. Beispiel Aletschgletscher: Die wenigen, typischen Gletscherwinde von früher haben sich zu wechselnden, sehr starken Winden entwickelt, die eine Landung am Gletscher zum Abenteuer machen. Oder die Blümlisalp: Seit einigen Jahren kann Schär mit seiner mit Skiern ausgerüsteten Piper nicht mehr nahe der Hütte landen; es hat zu wenig Schnee.

Diese Entwicklung beschäftige ihn, mache nachdenklich, sagt er. Doch schimpfen, hadern oder verurteilen ist nicht seine Sache. Ebensowenig bei der Entwicklung der Gletscherfliegerei. Zum Boom geworden, bringe sie immer mehr Kleinflugzeuge in die Berge. Wenn pro Tag ein halbes Dutzend Flugzeuge in den Bergen herumfliegen, gehöre plötzlich auch er zu diesen aus Sicht der Ansässigen «Säuniggle, die die Luft verpesten und Lärm machen». Er, dessen Ziel es immer war, die Bergleute zu unterstützen, der mit grösstem Respekt in die Berge geht und im Herzen selbst Bergler ist.

Respekt – das ist es, was er heute vermisst. «Vor einem Gletscher muss man nicht Angst haben. Aber ungeheuren Respekt», sagt er ehrfürchtig, «es ist eine Auseinandersetzung mit der Natur. Wir sind nichts gegen die Natur.» Wer früher in die Berge ging, wusste, dass er auf sich allein gestellt war. «Wer heute im Gebirge nicht mehr weiterkommt, kann per Natel Hilfe anfordern, oder weiss, dass er im Falle eines Unfalls von professionellen Suchtrupps geborgen werden wird.» Er zieht die Schultern hoch, nimmt einen Zug an seiner Tabakpfeife. «Ob diese Entwicklung gut ist, weiss ich nicht.»

Persönlich
Laufbahn
Am 24. Juni 1950 wird Paul Schär geboren. Er wächst mit einer Schwester und zwei Brüdern im ehemaligen Kloster Eriswil, einem selbstversorgenden Landwirtschaftsbetrieb auf. Mit dem Onkel, der die Bäckerei führte, hat er seine liebe Mühe: «Er sagte mir gäng, aus Dir wird nie etwas.» Damit ihm eben dieser Onkel nicht dreinreden könne, macht er eine Mechanikerlehre – damit ist Paul Schär der erste seit sieben Generationen, der nicht im Lebensmittelhandel arbeitet. Mit 12 darf er mit Ty Rufer auf einen Gletscherflug. «Da wusste ich, dass ich genau das tun wollte.»
Er macht 1967 das Motorflugbrevet, ein Jahr später das Kunstflug- und später auch noch das Segelflugbrevet. 1972 steigt er bei Ty Rufer in die Gletscherfliegerei ein und übernimmt das Geschäft zwei Jahre später, als Rufer gesundheitsbedingt ausfällt. 1976 fängt Paul Schär bei der damaligen Transairco als Flugzeugmechaniker an. Heute ist er Flugzeugmechaniker bei Pilatus in Bern-Belp, Berufspilot, Gletscherpilot, Gletscherfluglehrer und BAZL-Experte Gletscherflug.
Familie
Ehefrau Annerös, die selbst das Flugbrevet hatte, war einmal Passagierin von Paul Schär. Glücklicherweise blieben sie auf dem Jungfraujoch im Schnee stecken und mussten übernachten. Heute haben sie zwei Söhne: Simon (20) und Oliver (22).
Freizeit
Die Leidenschaft zu den Bergen und zur Natur ist Paul Schärs Leben. Zu Hause pflegt er eine kleine Apfelkultur, mostet und schreinert. Die alljährliche «Surchabis-Hoblete» hat er in Toffen zu einem grossen Dorffest gemacht.



     
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