GESCHICHTE
ZIELSCHLEPPER
Der fliegende Fussgängerstreifen
von Franz Wegmann, 12. März 1999
 

Ein unerwarteter Patzer
Der alte Neuling
Sackschlepper gesucht
Das Ende
Wenig Unfälle

Aus Sicherheitsgründen erhielten alle C-3605 eine auffällige, gelb-schwarze Bemalung

Bis vor zwölf Jahren zog ein skurriles, gelb/schwarzes Flugzeug am Schweizer Himmel seine Bahn. Heute fliegen nur noch vereinzelte C-3605.

Es ist Freitag, ein Sonnentag mitten im Sommer. Die Jahreszahl klingt noch heute in vielen Ohren: 1968. Zumeist reduziert auf die zwei letzten Ziffern ­ «Achtundsechziger» wird zum geflügelten Begriff. Und in ebendiesem Jahr, am 16. August um genau zu sein, klettert Hans Häfliger auf dem Flugplatz Emmen in ein silberglänzendes Flugzeug mit auffällig langer Nase. Es ist der Nachmittag eines speziellen Tages, als der Testpilot des damaligen Eidgenössischen Flugzeugwerkes im Cockpit Platz nimmt. Er startet das Turbinentriebwerk, das einen dreiblättrigen Propeller antreibt, dann rollt er auf die Piste und beschleunigt, ohne jedoch abzuheben.

Ein unerwarteter Patzer
Schliesslich kommt der grosse Augenblick: Position am Anfang der Piste, bereit zum ersten Start. Es ist der Moment, auf den viele Leute seit zwei Jahren warten. Es soll der Jungfernflug einen «neuen» Flugzeuges werden. Alles ist bereit, alles ist theoretisch mehrmals durchgespielt worden. Nur an das, was jetzt passiert, unmittelbar vor dem Anrollen, daran hat nie jemand auch nur im geringsten gedacht. Ein zischendes Geräusch ertönt ­ der rechte Reifen ist platt. Radwechsel? Bei einem Flugzeug, und erst noch bei einer Versuchsmaschine, ist das nicht so schnell erledigt wie bei einem Mittelklassewagen. Unterdessen ist es bereits 17 Uhr ­ der Erstflug ist vom Tisch. Die Erwartung der gespannten Beobachter verwandelt sich in leise Enttäuschung, teilweise gemischt mit einem bitteren Lächeln. Aber es nützt nichts: Premiere verschoben auf Montag, 19. August 1968, wegen leichter Unpässlichkeit des Hauptdarstellers.

Der alte Neuling
Am folgenden Montag hebt Hans Häfliger dann tatsächlich ab. Bei schönstem Sonnenwetter, der Himmel durch weisse Wolken leicht garniert, bewegt sich der C-3605 während 27 Minuten durch die Lüfte. Ein neues Flugzeug? C-36? Eine ebenso nüchterne wie seit rund zwanzig Jahren legendäre Typenbezeichnung. Die beiden letzten Ziffern lassen es erkennen: das «neue» Flugzeug ist die fünfte Version einer Maschine, deren erste Entwürfe 1936 in den Eidgenössischen Konstruktionswerkstätten in Thun gezeichnet worden waren. Während des 2. Weltkrieges begann in der neuen Fabrik in Emmen der Serienbau des C-3603 als einmotoriges Kampfflugzeug mit einem Piloten im vorderen Sitz und einem Beobachter dahinter. Insgesamt 160 C-3603 konnten zwischen 1942 und 1948 an die Schweizer Fliegertruppe abgeliefert werden.



 
     
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